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Aus: Ausgabe vom 13.05.2024, Seite 5 / Inland
Energetische Gebäudesanierung

Sanierung gegen Kostendruck

DIW-Studie sieht durch energetische Sanierung Entlastungspotential für einkommensschwache Mieter. Ihr Vorschlag nutzt diesen aber wenig
Von Wolfgang Pomrehn
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Die Kosten für energetische Sanierungen auf Mieter umzulegen dient schon lange als Anlass für weitere Mietsteigerungen

Wärmedämmung von Wohngebäuden ist gut fürs Klima und kann auch bei Mietern mit geringem Einkommen gut für den Geldbeutel sein – sofern sie von einer Kostenumlage verschont bleiben. Laut einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin leben Menschen mit geringem Einkommen überdurchschnittlich häufig in besonders schlecht gedämmten Häusern. Zugleich ist der Anteil der Energiekosten an ihrem Einkommen überdurchschnittlich hoch, und zwar nicht nur, weil sie mehr heizen müssen, sondern auch, weil sie wenig Geld zur Verfügung haben. Die Haushalte in der Bundesrepublik geben im Mittel sechs Prozent ihres Einkommens für die Heizkosten aus. Bei Geringverdienern kann der Anteil jedoch bei bis zu 30 Prozent liegen. Entsprechend sind diese Bevölkerungsschichten auch besonders von den seit 2022 gestiegenen Brennstoffkosten betroffen. Heizkostenzuschüsse könnten zwar für Entlastung sorgen, würden aber zugleich die Anreize mindern, sparsamer und effizienter mit Energie umzugehen, so das DIW.

Letzteres ist in allen Bevölkerungsgruppen notwendig, denn noch ist der Wärmebedarf in den Gebäuden für rund 40 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich und kaum rückläufig, wie es bei der Deutschen Energie-Agentur (dena) heißt. »Um die Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, ist ein entschlossenes Tempo bei der Umstellung auf erneuerbare Energien im Gebäudebestand unumgänglich«, so Corinna Enders, Vorsitzende der dena-Geschäftsführung. Außerdem muss natürlich der Energieeinsatz durch bessere Dämmung wesentlich effizienter werden. Derzeit wird aber, so das DIW, jährlich nur ein Prozent des Wohnungsbestandes saniert. Bei diesem Tempo würde es 100 Jahre dauern, bis auch das letzte Haus endlich gedämmt ist.

Doch vielfach werden die Kosten energetischer Sanierung einfach auf diejenigen abgewälzt, die ohnehin schon besonders unter den hohen Energiepreisen leiden. Um das zu vermeiden, schlägt das DIW vor, zunächst den am schlechtesten isolierten Bestand zu sanieren. Das käme den sogenannten Einkommensschwachen besonders zugute, weil überproportional viele von ihnen in solch sanierungsbedürftigen Häusern wohnen. Im übrigen fordert auch eine kürzlich verabschiedete Gebäudeeffizienzrichtlinie der EU, die schlechtesten 43 Prozent des Wohnungsbestandes vorrangig zu behandeln. Die begrenzten Kapazitäten im Baugewerbe sprechen aus Sicht der Studienautoren dafür, den schlechtesten Gebäuden Priorität einzuräumen. So seien am schnellsten Ergebnisse bei der Reduktion der Emissionen zu erreichen.

Andrerseits solle den unteren Einkommensgruppen bei der Sanierung finanziell unter die Arme gegriffen werden, sofern sie im eigenen Haus oder der eigenen Wohnung wohnen. Außerdem brauche es Vorkehrungen, dass in Mietwohnungen die Sanierungskosten nicht übermäßig auf die Mieter umgelegt werden. Dem DIW schwebt vor, die Umlage der Sanierungskosten auf die Höhe der eingesparten Heizkosten zu beschränken. Nach DIW-Berechnungen würden die Heizkosten mehr als halbiert. Statt elf bis 30 Prozent müssten nur noch drei bis 16 Prozent des Einkommens dafür aufgewandt werden. Die Daten für die Modellrechnungen erhoben die Forscher mit Hilfe des sozioökonomischen Panels, einer seit 1984 laufenden interdisziplinären Langzeitstudie.

Eine Umlage der Sanierungskosten in Höhe der eingesparten Heizkosten könnte immerhin steigende Kaltmieten unterbinden, die etwa in Berlin in den vergangenen Jahren zu Verdrängung geführt haben. Einkommensschwache Mieter in schlecht gedämmten Gebäuden hätten von einer solchen Regelung allerdings keine Ersparnis. Um diese Gruppe zu schützen, könnte es laut einer von der Umweltschutzorganisation BUND und dem Deutschen Mieterbund in Auftrag gegebenen Studie helfen, die Kostenumlage der Vermieter von aktuell jährlich acht Prozent auf drei Prozent zu senken. Die Vermieter könnten eine staatliche Förderung für energetische Sanierungen dafür aber vollständig einstreichen, hieß es bei Veröffentlichung des Reports im April. Diese Förderung solle zudem angehoben werden.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Mario G. aus Mario Gräber, Ostseebad Binz (14. Mai 2024 um 10:38 Uhr)
    Gibt es eigentlich ordentliche, wissenschaftliche Untersuchungen, die belegen, dass die Gebäudedämmung wirklich energetische Einsparungen bringt? Ich bin auf jeden Fall dafür, das enorme Einsparungspotential der Gebäudebewirtschaftung, des Bauens insgesamt zu heben. Aber auch hier ist nur »das Ganze« die Wahrheit. Physik, und auch Bauphysik, lässt sich nicht überlisten. Ein Leserbrief ist zu kurz, um auf die schon fast aus der öffentlichen und akademischen Diskussion verschwundenen Sachverhalte einzugehen. Deshalb möchte ich nur Stichworte nennen: Dynamisches und statisches Wärmemodell der Gebäudehülle, umgekehrte Proportionalität von Wärmedämmung und Wärmekapazität, Grenzflächen, Strahlungswärme, physiologisches Wärmegefühl und Raumlufttemparatur, Kondensation an Grenzflächen, Grenzflächen durch verschiedene Gasdiffusionswiderstände, Zement als Umweltsünde, industrieller Gips aus Entschwefelungsanlagen, Kalkherstellung als tonnenweise Kohlendioxidemission, Fassadengestaltung, Vorfassaden, Normalglas im Gewächshaus und sogenanntes Wärmeschutzglas für die Wohnung, Lichtstrahlung und Wärmestrahlung. Ohne naturwissenschaftliche Expertise werden die energetischen Maßnahmen durchgeführt, die bestehenden Einzelkapitalen nützen. Gefragt ist aber ein Hinterfragen, Analysieren, Testen und vor allem Wissen popularisieren. Leider beginnt der Artikel mit einer Behauptung, die meines Erachtens zumindest nur unter ganz bestimmten Bedingungen gilt. Energetisch optimales Bauen und »Betreiben« von Gebäuden ist aber eine komplexe, auf naturwissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Problematik. Ich kann nicht erkennen, dass diese Problematik offen und vielgestaltig, wissenschaftlich und analytisch bearbeitet wird. Auch dieser Artikel leistet dazu keinen Anstoß.
    • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (14. Mai 2024 um 11:44 Uhr)
      Und dann gibt es da ja noch den naturgesetzlichen Faktor »Zeit«, d. h., auch die beste Dämmung altert und wird irgendwann (?) wieder entfernt und »entsorgt« oder (wenn möglich) auf irgendeine Weise recycelt werden müssen. Auch diese finale Phase wäre in einer seriösen und vollständigen energetischen Life-Cycle-Balance schon von vornherein zu berücksichtigen. Dazu habe ich aber noch nie etwas gehört oder gelesen.

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